Prof. Dr. Heinz-Günther Schöttler, Regensburg

 

Von Heilswegen und Holzwegen - Der Vatikan und die Bekehrung der Juden
                     

Die neue Karfreitagsfürbitte für die Juden von Papst Benedikt XVI. hat es an den Tag gebracht: Die alte, vorkonziliare Diskussion um die Notwendigkeit einer Bekehrung der Juden ist wieder eröffnet. Brauchen die Juden zu ihrem Heil "die Erleuchtung ihrer Herzen, damit sie Jesus Christus als den Heiland aller Menschen erkennen"? (Benedikt XVI).

Es steht zu befürchten, dass diese neue Formulierung kein Betriebsunfall ist, sondern die Rückkehr zu einer überwunden geglaubten theologischen Position anzeigt. Das dahinter stehende Problem geht weit über die neue Fürbitte hinaus und ist grundsätzlicher Natur:

Gibt es aus christlicher (und damit biblischer!) Sicht einen eigenen Heilsweg für die Juden?

500 Jahre Trennungsgeschichte bereichern!

Ein Bericht über die Matinee vom 20.November 2016 mit Prof. Dr. Heinz-Günther Schöttler aus Regensburg von Dr. Herbert Lindenlauf .



Wie schon im Oktober, stand auch die Matinee des TQT am 20. November im Zeichen der 500-Jahr-Feier der Reformation. Prof. Dr. Heinz-Günther Schöttler (Regensburg) sprach aus katholischer Sicht über das Thema „Katholisch oder evangelisch: Was soll’s? 500 Jahre Trennungsgeschichte bereichern!“

Dieser Umstand sowie die provozierende Formulierung des Themas sorgten für einen regen Zuspruch. So war das Auditorium mit über 70 Zuhörerinnen und Zuhörern gut besetzt. Sie wurden für ihr Kommen mit teils neuen, teils vergessenen, oft überraschenden und herausfordernden Einsichten belohnt.

Die Vielfalt des biblischen Zeugnisses hat zur Folge, dass das Christentum in verschiedenen konfessionellen „Formaten“ gelebt wird, die sich gegenseitig beeinflussen. Der Referent würdigte die gegenseitige Beeinflussung der katholischen und der reformatorischen Kirchen als „heilsame Provokation“ und benannte beispielhaft drei Aspekte, in denen die katholische Kirche heute die Möglichkeiten unterschreite, die sich aus dem Reichtum ihrer eigenen Tradition und aus dem biblischen Befund ergeben: die Bedeutung des Wortes Gottes, das Amtsverständnis und das Verhältnis der Kirche zu der Reich-Gottes-Botschaft Jesu.

So bleibe die Überordnung der eucharistischen Feier (der Messe) über die Wort-Gottes-Feier hinter der verbreiteten Auffassung der Kirchenväter von Ambrosius über Hieronymus bis Augustinus zurück, die von einer Gleichrangigkeit der Wort-Gottes-Feier und der Eucharistie ausgingen, indem sie das Wort Gottes als „Speise“ zu dem eucharistischen Leib Christi in Parallele setzten und dem Wort und der Verkündigung sakramentalen Charakter zuerkannten.

Im Blick auf das kirchliche Amt und den Verkündigungsdienst sah der Referent die katholische Kirche an einem sakramental-priesterlichen Verständnis festhalten, das in der Antike die Enkulturation des Christentum erleichterte, in der Gegenwart aber nicht mehr angemessen und dem Neuen Testament grundsätzlich fremd sei. In des Wortes ursprünglicher Bedeutung seien alle Christen „Laien“, nämlich Glieder des „Volkes“ Gottes; die Unterscheidung von Priestern und Laien sei darum fatal.

Kritisch bewertete der Referent schließlich auch die Tendenz zur Verkirchlichung des Glaubens. Jesus habe die Nachfolge nicht „an die Kirche“ gebunden (vgl. Markus 9,38-40); Kirche sei vielmehr „Zugabe“ (Matthäus 6,33) zum Reich Gottes. Die katholische Kirche müsse lernen, ihren Sinn nicht in sich selbst, sondern in ihrer Relation zu der Reich-Gottes-Botschaft Jesu zu sehen. Bei Luther und in den Kirchen der Reformation ließe sich überdies entdecken, dass und warum der Mensch als Einzelner im Glauben vorkommt und nicht durch die Kirche vertreten werden kann.

Das Christentum – so lautete das Fazit des Vortrags – ist von seiner Entstehung her plural und in seiner Identität divers. Pluralität stehe nicht in Konkurrenz zur Wahrheit, denn Wahrheit ist als je meine Wahrheit immer relational und fragmentarisch. Vereinheitlichung könne daher kein erstrebenswertes Ziel der Kirchen sein, sondern nur die gegenseitige Anerkennung in versöhnter Verschiedenheit.
Die anschließende, angeregte Frage- und Diskussionsrunde gab Gelegenheit, einige Thesen des Vortrags im Blick auf die heutige und zukünftige kirchliche Praxis und das Verhältnis der Religionen zueinander zu vertiefen. Dabei zeigte sich eine breite Zustimmung zu den Ausführungen des Referenten, was auch im starken Applaus des Auditoriums zum Ausdruck kam.

Umrahmt wurde die Veranstaltung von Klaus-Jakob Vleeming (Posaune, Gesang) und Bernhard Nink (Klavier) mit einem Spiritual, einem Luther-Choral („Ach Gott, vom Himmel sieh darein“ in der Bearbeitung von Joh. Ludwig Krebs) und dem Chanson „C’est si bon“ – womit das Fazit des Vortrags auf humorvolle musikalische Weise unterstrichen wurde. Das Publikum dankte den Musikern mit herzlichem Beifall.

 

Zurück