Prof. Dr. Dr. Peter Eicher

 

Peter Eicher lehrte seit 1977 in Paderborn Systematische Theologie und ist seit März 2008 emeritiert. Er studierte außerdem Philosophie, Psychologie und Literatur. Von 2003 bis 2006 forschte er in Brasilien. Mit seiner Frau Lisette betreut er das Hilfswerk „Stern der Hoffnung – Aidshilfe international“ in São Paulo.

Hat die Hoffnung auf den „Fortschritt der Völker“ (Paul VI.) getrogen? Die Theologie der Befreiung hat nicht nur die Kirche, sondern auch die säkulare Gesellschaft von den Strukturen der Ungerechtigkeit zu lösen gesucht. Diese religiöse Bewegung hat jedoch nicht verhindern können, dass kapitalistisches Wirtschaften einigen wenigen unermesslichen Reichtum beschert, während immer mehr Menschen im wachsenden Elend sterben.

Im Scheitern aber, so Eicher, wächst die Solidarität: Sie wächst nach innen, weil sie aus Quellen der Gerechtigkeit und der Verständigung zu leben lernt, die vielen Kulturen und Religionen gemeinsam sind. Die Solidarität wächst aber auch nach außen, weil das Eintreten für ökonomische Gerechtigkeit nicht mehr möglich ist ohne die globale Zusammenarbeit für das nachhaltige ökologische Gleichgewicht der ganzen Erde.

Der Vortrag zeigt, wie die Befreiung durch Scheitern hindurch uns selbst und mit uns die Welt verwandelt.

Dokumente zum Thema:          

  • CELAM / Lateinamerikanische Bischofskonferenz: Die Kirche in der gegenwärtigen Umwandlung Lateinamerikas im Lichte des Konzils (Medellin 1968).
  • Katakombenpakt: Für eine dienende und arme Kirche (1965): 40 Bischöfe - später schlossen sich weitere 500 der Erklärung an - trafen sich drei Wochen vor Abschluss des 2. Vat. Konzils in den Domitilla-Katakomben außerhalb Roms. In Ihrer Erklärung griffen sie das Leitwort von der „Kirche der Armen“ auf, das Papst Johannes XIII vor Konzilseröffnung ausgegeben hatte. Sie verpflichteten sich, die Option für die Armen in ihrem kirchlichen Wirken umzusetzen.
  • Papst Paul VI: Enzyklika „Populorum Progressio“ / Einleitung (1967)

  • Pastorale Konstitution „Gaudium et spes“, 2. Vatikanum, Vorwort (1965)

  • Kongregation für die Glaubenslehre: Instruktion über einige Aspekte der Theologie der Befreiung (1984).

  • Farid Esack: Unterwegs zu einer islamischen Befreiungstheologie, in: Klaus von Stosch/Muna Tatari: Gott und Befreiung. Befreiungstheologische Konzepte in Islam und Christentum (2012).

  • Kairos-Palästina-Dokument „Stunde der Wahrheit“: Ein Wort des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe aus der Mitte des Leidens der Palästinenser und Palästinenserinnen (2009).

  • Stéphane Hessel, Empört euch! (2010).

  • Helmut Schmidt, Giovanni di Lorenzo: Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (Köln 2012)

  • Joachim Gauck: Verantwortlicher Kapitalismus ist möglich. Rede beim Führungstreffen Wirtschaft (Berlin 2012).

  • Benedikt XVI: Enzyklika „Deus caritas est“ / Einleitung (2006)Rückblick zum Vortrag von Prof. Dr. Dr. Eicher

 

Von der Theologie der Befreiung zur befreienden Spiritualität

 

Die Theologie der Befreiung hat nicht nur die Kirche, sondern auch die säkulare Gesellschaft von den Strukturen der Ungerechtigkeit zu lösen gesucht, im Bewusstsein, dass frei nur ist der, dem dazu die Möglichkeit gegeben ist.

 

Infolge ihrer kontextuellen, hermeneutischen Bibelexegese deutet die Theologie der Befreiung Erlösung nicht mehr nur jenseitsbezogen und spirituell wie die traditionelle Theologie, sondern als eine sozialpolitische und ökonomische revolutionäre Veränderung der Gesellschaft. So muss die Theologie der Befreiung in Konflikt geraten mit den Herrschenden in Kirche und Staat.

Im Scheitern aber, sagt Eicher, wächst die Solidarität, einerseits aus Gründen der allgemeinen Gerechtigkeit, andererseits weil das Eintreten für ökonomische Gerechtigkeit nicht möglich ist ohne die globale Zusammenarbeit für das nachhaltige ökologische Gleichgewicht der Erde.

Befreiende Spiritualität zeigt sich für Eicher darin, dass derjenige, der das Unheil, die Not und die Schmerzen anderer reflektiert, auch bereit ist, sich real für die Beseitigung der Übel einzusetzen: „Der Mensch ist als Demonstrant geboren!“

Frau Lisette Eicher, die auch anwesend war, gründete 1988 den inzwischen größten Verein dieser Art, den „Stern der Hoffnung“ (www.sternderhoffnung.de), der in São Paulo in verschiedenen Einrichtungen und in 30 Häusern über 350 HIV-Positive und an AIDS Sterbende täglich pflegt. Inzwischen lebt das Ehepaar Eicher pendelnd zwischen Brasilien und Europa.

Am Podium diskutierten anschließend Willi Klein und Prof. Dr. Andreas Mühling mit dem Referenten, bevor die Zuhörerinnen und Zuhörer im voll besetzten Saal mit in die Diskussion einbezogen wurden.

Einige Fotos und deren ergreifende Geschichten aus São Paulo beschlossen die sehr beeindruckende Matinee.

W. Blasweiler

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