Otmar Traber
Was gibt’s da zu lachen?!
Religion und Humor.
Otmar Traber - nach eigenen Worten „katholisch gezeugt, geboren, geworden, geblieben, liiert, studiert - heimatloser Katholik und Kabarettist“- ist Preisträger des renommierten Kleinkunstpreises St. Ingberter Pfanne 2007.
Traber befragt das Christentum nach seinen Anteilen an Humor. Manche Religionen haben davon mehr als andere; manche Götter lachen mehr als andere - besonders in Asien. Zen-Mönche und taoistische Weise scheinen sich die meiste Zeit einem unbezwingbaren Gelächter hinzugeben. Und Esoterikläden und Gartenzentren bieten eine umfangreiche Auswahl lachender Buddhastatuen an. Auch griechische Götter lachten häufig, meist jedoch mit hinterhältigem Unterton. Das Christentum scheint einigermaßen unterprivilegiert, was das Lachen angeht. Der Theologie des Christentums fehlt es offensichtlich an Humor. Nicht umsonst schrieb Nietzsche: „Erlöster sollten sie aussehen, die Erlösten“.
Manuskript
Denn wer lacht entkleidet Autoritäten ...
Alltagsrealität, die uns zum funktionieren zwingt, ist die dominante Wirklichkeit unseres Lebens. Und trotzdem schieben sich, immer wieder, mehr oder weniger lang Episoden, Einbrüche einer (scheinbar) anderen Welt in diese Realität hinein:
im Ästethischen - im Sexuellen - im Religiösen
im Spielerischen - im Traum und - im Komischen
Es gibt keine Kultur ohne Komik.
Allem Komischen gemeinsam ist sein zerbrechlicher Charakter.
Wurzeln des Komischen finden sich im Umfeld des Dionysoskultes.
Das Komische bringt zusammen, was sonst getrennt ist (groß und klein, Macht und Ohnmacht, Außenwirkung und Innenbild), jegliche Ernsthaftigkeit wird der Lächerlichkeit preisgegeben.
Das Komische ist grundsätzlich für die öffentliche und innere Ordnung gefährlich und muss unter Kontrolle gebracht, in ein Freigehege gesperrt werden.
Mittelalter und Antike kannten nur den skeptisch-säuerlichen Blick auf das Lachen. Lachen hält ab von den eigentlichen christlichen Aufgaben in dieser Welt: Die Sünder zu beweinen und sich auf die Freuden eines Lebens in einer jenseitigen Welt vorzubereiten.
Erst im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit und schließlich in der Moderne selbst erhält das Komische, das Lachen, eine neue Bewertung. Erasmus deutet vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte an, dass die Perspektive des Komischen eine profundere, vielleicht sogar wahrere Sicht der Dinge erlaubt.
Der Philosoph Kierkegaard sah den Ursprung des Komischen in der Erfahrung eines Widerspruchs zwischen Ordnung und Unordnung, zwischen Endlichem und Unendlichem. Während das Tragische der Widerspruch ist, an dem Menschen leiden, zeigt sich das Komische als der „schmerzlose Widerspruch“.
Etwas scheint aus einer Gesamtordnung herausgefallen zu sein.
Ein durchgängiges Element des Komischen ist der Widerspruch.
Wir entdecken, dass Autoritäten, diese Welt, gar nicht so sind, wie sie sich darstellen, oder wie sie sein sollen, oder wie wir sie sehen wollen.
Physiologischer Blick.
Was passiert eigentlich beim Lachen: Das Zwerchfell bewegt sich extrem stark, dadurch atmen wir tiefer, kommt mehr Sauerstoff in unser Blut, wir fühlen uns belebt, festgefügt, organische Verbände werden bewegt und massiert, die Verdauung wird angeregt - es kommt etwas in Bewegung.
Das Lachen des Kindes ist Signal einer Beziehung.
Das Lachen ist Ausdruck einer entlastenden Erfahrung, eine für das Kleinkind angstmachende Situation löst sich auf (z.B. Kuckuckspielen).
Die aggressive Seite des Humors -,,Der Wilde, der seinem Gegner den Tomahawk auf den Schädel hieb und „haha'' schrie, war der erste „Humorist“.
Tiefenpsychologische Bedeutung des Witzes bei Freud.
Der Witz „ermöglicht die Befriedigung eines Triebes gegen ein im Wege stehendes Hindernis“ und schöpft Lust aus einer durch das Hindernis unzugänglich gewordenen Lustquelle.
Schwarzer Humor - die entlastende Funktion.
Witze werden erzählt, um schwierige angstmachende Situationen meist im Nachhinein zu bewältigen.
Der Witz als Auflehnung -
- gegen Autoritäten
- als Rebellion gegen die Tyrannei der Vernunft.
Witze hören und erzählen heißt, wieder zu einem Kind werden. Kindsein ist für einen Erwachsenen schon eine Quelle der Lust.
Lachen als kommunikative und soziale Festigung: ,,Wer zusammen lacht, gehört zusammen''.
Gesundheitsfördernde Funktion des Lachens.
Untersuchungen haben gezeigt, dass Krankenhauspatienten sich schneller erholen, wenn sie ihre Situation mit Humor betrachten können (Krankenhausclowns).
Der gesellschaftliche Umgang mit dem Komischen.
Ähnlich wie das Heilige hat das Komische eine grundlegend störende Qualität für das Funktionieren der gesellschaftlichen Ordnung. Deshalb muss es eingefriedet werden.
Beispielhafte Rollen des Komischen.
Der Narr ist der große Relativierer, ein kleiner Zauberer, er schwenkt seinen „Zauberstab'' (der Gesten und Worte) und die scharfen Konturen der Wirklichkeit der gesellschaftlichen Realität zergehen zumindest einen Moment lang, so dass die Phantasie der Zuhörer bzw. Zuschauer den so entstandenen Raum besetzten.
Ein Zentralthema des Narren ist die Umkehrung. Sie wurde buchstäblich an Sprache und Ritual vollzogen - lateinische Sätze wurden rückwärts gesprochen, katholische Riten in umgekehrter Reihenfolge vollzogen...alle sozialen Unterschiede (auch der des Geschlechts) der Hierarchien wurden ausgelöscht, parodiert, umgekehrt.
Im Absurden und Komischen werden die Grenzen der normalen, selbstverständlichen Sprache deutlich. Sprache kann bestimmte Absurditäten nicht mehr ausdrücken. Das Absurde zeigt der Ratio und der Sprache ihre Begrenztheit auf.
Das Komische und das Religiöse.
In vielen Kulturen wurde der Wahnsinn als „Zeichen besonderer Heiligkeit“ aufgefasst,
Es gibt auch die Gestalt des „heiligen Narren“. Don Quijote bemerkt: ,,Nur der Narr hat recht.“
Uns Normalen macht das deutlich, dieses Andere der Wirklichkeit ist in den Kategorien der normalen Realität nicht zu fassen, Der Heilige Narr symbolisiert eine „Geistige Einfalt“, die (scheinbar) der Weltweisheit überlegen ist.
Die innige Beziehung zwischen Religion und Humor ergibt sich aus der Tatsache, dass beide sich mit den Widersprüchen unserer Existenz befassen. Der Humor hat es mit den unmittelbaren Widersprüchen unseres Lebens zu tun, der Glaube mit den letzten. Beide Fähigkeiten, die zur Religion und die des Humors, sind Ausdruck der Freiheit und des Geistes.
Die erlösende Qualität des Lachens.
lm Komischen wird die „Doppelbödigkeit“ unserer Wirklichkeit offenbart.
In der Welt des gutmütigen Humors bis zu den Gegenwelten der Narrheit wird die tragische, schmerzhafte Wirklichkeit ausgesetzt. Das wird schlaglichtartig deutlich an der Figur des Clowns (im Gegensatz zur Figur des Bajazzo). Der Clown wird verprügelt niedergeschlagen, mit Füßen getreten, gequält. Und doch geht er daran nicht zugrunde, noch mehr, er scheint dieses Negative gar nicht wahrzunehmen. Er ist ein Stehaufmännchen und siegt so über jede Demütigung. - Wir können sagen, die Komik ist ein begrenztes Spiel in einer empirischen Welt, deren Gesetz „Schmerz“ und ,,Tod'' heißt, aber für Sekunden, Minuten, Stunden kann das Komische dieses Gesetz aus den Angeln heben - und das ist eine wahrhaft revolutionäre Kraft und eine Vision von Welt und Wirklichkeit.
Otmar Traber