14. Dezember 2025
Mystik statt Dogma!
Sollten die Kirchen mehr Mystik wagen?
Während viele den Bedeutungsverlust der christlichen Kirchen beklagen, wird dies schnell mit einem
Verlust von Glauben insgesamt gleichgesetzt. Dabei sind religiöse Bedürfnisse ungebrochen vorhanden
und zeigen sich anderweitig, z. B. im weiten Feld von Spiritualität.
Auch der politische Bereich öffnet sich für religiöse Begriffe. Die Debatte kreist um die Frage, ob die
Kirchen politisch auftreten oder sich eher auf „Gott“ beziehen sollten. Dies übersieht jedoch wesentliche
Elemente. Betrachtet man nämlich die spirituelle Szene genauer, so wird darin ein Bedürfnis nach
unmittelbarer Erfahrung des Transzendenten deutlich. Die direkte Gotteserfahrung artikulierte sich seit
dem Mittelalter als Mystik und stand stets in einem Spannungsverhältnis zum Dogma. Diese Spannung
könnte eine Quelle für die Erneuerung der christlichen Kirchen sein.
Wolf-Andreas Liebert, Jg. 1959, ist Professor für Sprachwissenschaft an der Universität Koblenz. Er hat
das Forschungsgebiet der Religionslinguistik begründet und dazu zahlreiche Publikationen vorgelegt.
23. November 2025
Prof. Dr. Aleida Assmann, Konstanz
Die Kraft des Sozialen.
Prägt Gemeinsinn unsere Gesellschaft?
Der Vortrag hat zwei Ziele. Zum einen geht es darum, dass die Ressource Gemeinsinn in der westlichen Kultur weitgehend übersehen wurde. Als Leitsatz galt die Überzeugung: „Das befreite Ich ist der Motor der Moderne“. Die Befreiung des Ich war eine wichtige westliche Errungenschaft, doch zeigen sich inzwischen auch immer deutlicher die Nachteile dieser einseitigen Perspektive.
Zum anderen ermöglicht die Wiederentdeckung des Gemeinsinns Blicke auf andere Traditionen der westlichen Kultur, die den Menschen nicht mehr als isolierten Einzelkämpfer, sondern innerhalb seiner sozialen Einbettung als Mitmensch und Beziehungswesen mit Menschenrechten und Menschenpflichten ernst nehmen.
Hier ist die Präsentation zum Vortrag.
Aleida Assmann, Jg. 1947, studierte Anglistik und Ägyptologie und war Professorin an der Universität Konstanz. Sie erhielt viele Auszeichnungen, u. a. 2018 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (zusammen mit ihrem Ehemann Jan Assmann).
26. Oktober 2025
Prof. Dr. Martin Endreß, Trier
Erosion politischen Vertrauens?
Zu einer Grundvoraussetzung der Demokratie.
Mit den Stichworten einer „gespaltenen“ bzw. „polarisierten“ Gesellschaft oder der Feststellung des Verlustes
des Zusammenhalts wird derzeit häufig die gesellschaftliche Lage in Deutschland beschrieben.
Polarisierungsdiagnosen, die typischerweise wechselseitiges Misstrauen feststellen, sind uns inzwischen
vertraut.
Es bedarf es eines differenzierten Verständnisses politischen Vertrauens, um das ebenso spannungsreiche
wie ambivalente Verhältnis von Vertrauen und Misstrauen zu verstehen, die Konturen gegenwärtig
erodierenden Vertrauens zu erfassen und die Signaturen einer politischen Vertrauenskultur zu skizzieren.
Martin Endreß, Jg. 1960, Professor für Allgemeine Soziologie an der Universität Trier, arbeitet seit vielen
Jahren schwerpunktmäßig in der Vertrauensforschung. Er war Sprecher der Polizeistudie für das Land
Rheinland-Pfalz und Sprecher der DFG-Forschungsgruppe „Resilienz“.
16. März 2025
Jakob Tanner
Kant und der „Ewige Frieden“: Immer noch aktuell?
Die moderne Konzeption des Friedens geht massgeblich auf Kants «philosophischen Entwurf» zum «ewigen Frieden» von 1795 zurück. Kant realisierte, dass die technisch aufgerüstete Kriegführung künftig beispiellose Destruktionsgewalten entfesseln würde. Er erkannte weitsichtig die Bedeutung republikanischer Rechtsordnungen sowie einer internationalen, föderativen Friedensordnung, gestützt auf Völkerrecht und ein Weltbürgerrecht. Der Vortrag stellt Kant als einen Pazifisten avant la lettre vor, der bis heute die Hoffnungsseite von Friedensbewegungen repräsentiert.
Jakob Tanner, Jg. 1950, ist Professor em. für Geschichte an der Universität Zürich. Ende der 1990er Jahre war er Mitglied der «Unabhängigen Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg». Zurzeit schreibt er ein Buch zu den «Paradoxien des Pazifismus».
Hier können Sie Tanners Präsentation zum Vortrag sehen und hier seinen Aufsatz von 2013 zum gleichen Thema nachlesen.
09. Februar 2025
Michael Mertes, Wachtberg
Israelisch-palästinensische Sprachverwirrungen: Meinen wir das Gleiche?
Im israelisch-palästinensischen Konflikt ist der Kampf um die Deutungshoheit von zentraler, wenn auch oft übersehener Bedeutung. Es geht um die Legitimierung eigener und die De-Legitimierung gegnerischer Positionen durch Sprache. Je nach Sprecherposition werden gleiche Sachverhalte ungleich bezeichnet – oder bezeichnen gleiche Wörter ungleiche Sachverhalte. Was die einen „Westjordanland“ nennen, heißt bei anderen „Judäa und Samaria“. Wer „Palästina“ sagt, kann die palästinensischen Gebiete meinen – oder die ganze südliche Levante vom Jordan bis zum Mittelmeer. Um den politischen Konflikt zu verstehen, muss man sich auch mit den Sprechweisen der Beteiligten befassen – einschließlich des Ge- und Missbrauchs von NS- Vergleichen.
Michael Mertes, Jg. 1953, Autor, Publizist und literarischer Übersetzer, leitete nach Tätigkeiten im Bundeskanzleramt und der NRW-Staatskanzlei von 2011 bis 2014 das Auslandsbüro der Konrad-Adenauer- Stiftung in Jerusalem.
Hier ist die Präsentation seines Vortrages